Leben mit einem Barfüßigen

Seit Jahrzehnten teile ich mein Leben mit einem außergewöhnlichen Menschen.

Er ist klug, charmant, witzig – und barfuß. Immer. Überall. Bedingungslos.

Als wir uns kennenlernten, dachte ich noch: Ach, das ist so eine Phase. Vielleicht was Spirituelles. Oder einfach Sommer. Doch aus Sommer wurde Herbst, dann Winter. Und die Füße blieben nackt.

Was soll ich sagen – ich liebe ihn trotzdem.
Denn das Leben mit einem Barfüßigen ist nie langweilig. Es ist ein bisschen wie mit einem seltenen Vogel zu leben, der sich weigert, in Käfige zu passen. Oder Schuhe.

Am Anfang war ich oft verlegen:

Beim Theaterbesuch – barfuß,
in der Fußgängerzone – barfuß,
in Geschäften – barfuß,
selbstverständlich.

Selbst bei Freunden: Die Fußmatte mag er, die Hausschuhe ignoriert er standhaft.
Die Blicke. Das Getuschel. Das Stirnrunzeln über tätowierte Füße und Zehen, die mutig den roten Teppich des Alltags betreten. Ja, das war anfangs gewöhnungsbedürftig.

Doch dann gibt es diese Momente: Wenn ich ihn sehe, wie er über Waldboden geht, wie es ihn glücklich macht.

Ich habe gelernt: Es ist nicht nur ein Stil, es ist eine Haltung. Barfuß zu leben heißt, der Welt nicht mit Gummi dazwischen zu begegnen. Es ist Erdung, Eigensinn und ein kleines Alltagsabenteuer.
Und irgendwie auch eine stille Rebellion gegen das „Man trägt eben Schuhe.“

Ich selbst trage übrigens weiter meine Schuhe, aber mein Blick auf nackte Füße hat sich gewandelt. Sie sind nicht nur Fortbewegungsmittel – sie sind Ausdruck, Mut, Haltung.

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